Architektur mit Bauklötzen?
- Autoren: Boris Schade-Bünsow, Christiane Fath
- Fotos: Kirsten Bucher, ADK Modulraum GmbH
Boris Schade-Bünsow im Gespräch mit Robert Kohler (ADK Modulraum GmbH, Neresheim) und Lucas Müller (Arcass Freie Architekten BDA, Stuttgart)
Bevor wir in das Thema Modulbau einsteigen, erzählen Sie uns doch ein bisschen zu ADK. Was machen Sie, welche Rolle haben Sie am Bau?
RK: ADK ist einer der großen Modulhersteller in Deutschland. Wir haben das Unternehmen 2004 zu dritt gegründet mit dem Ziel, den Bau zu industrialisieren. Wir bauen noch wie die alten Ägypter, außer dass der Kran elektrisch betrieben wird. Es war klar, neben dem klassischen Fertigbau, in dem ja nichts fertiggestellt ist, noch eine andere Bauweise vorantreiben zu müssen. Deswegen sind wir in den Modulbau eingestiegen und konnten aufgrund der Bauweise den medizinischen Markt erschließen. Die Medizinplaner haben schnell die Vorteile dieser Bauweise bei Klinikerweiterungen erkannt.
Trotz Ihrer recht jungen Firmengeschichte sind Sie im Kreis der Modulbauer ein sehr großes Unternehmen geworden. Was zeichnet Sie aus?
RK: Wir wollen nicht in großer Masse seriell bauen, wo ein Modul wie das andere ist. Wir haben uns schon immer sehr um die Architektur gekümmert und Spezialaufgaben angenommen. Deswegen haben wir auch ganz besondere Projekte in unseren Referenzen.
Typische Auftraggeber?
RK: Bei Kliniken die öffentliche Hand. Oder aber auch Bundesbauten: Wir bauen viele deutsche Generalkonsulate und Botschaften. In den Ländern, in denen die Bauwerke erstellt werden sollen, kann man Qualitäten wie Erdbeben- und Beschusssicherheit meist nicht anders bewerkstelligen.
Gibt es neben Klinikbauten und öffentlichen Bauten Schwerpunkte in der Gebäudetypologie, die Sie bearbeiten?
RK: Laborgebäude, Pharmagebäude, aber auch Schulen, Kindertagesstätten oder Verwaltungsgebäude. Aber der medizinische Bereich macht sechzig bis siebzig Prozent unseres Umsatzes aus.
Auf welche Projekte sind Sie besonders stolz?
RK: Als baden-württembergisches Unternehmen auf unsere Stuttgarter Projekte. Wir haben dort z. B. den modernsten Operationssaal gebaut!
Lucas Müller, Sie sind Architekt und Geschäftsführer von Arcass Freie Architekten BDA. Wo liegt Ihr Spezialgebiet?
LM: Seit vielen Jahren liegt der Schwerpunkt unseres Büros bei Bauten des Gesundheitswesens, neudeutsch Healthcare. In diesem Bereich sind wir seit 20–25 Jahren mit tollen Bauaufgaben tätig.
Manche Bauherren bzw. Projekte betreuen Sie über Jahrzehnte und ergänzen letztere immer weiter. Ist das gewöhnlich oder besonders für Sie?
LM: Es gibt wohl zwei Gründe: zum einen die gute und verlässliche Zusammenarbeit mit den Bauherren, die sich bei den großen Projekten auch über lange Zeiträume hinziehen kann. Zum anderen ist es typisch für Krankenhäuser, sich immer wieder an die laufenden Entwicklungen anzupassen und zu wachsen. Hier bedarf es großer Erfahrung.
„Während des gesamten Planungsprozesses ist ein reger Austausch zwischen der Planungsabteilung, den Projektleitern von ADK und unserem Projektteam notwendig.“
Lucas Müller, Arcass Freie Architekten BDA, Stuttgart
Gibt es in Ihrer Bauhistorie Projekte, auf die Sie besonders stolz sind?
LM: Highlights sind das Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart, das Diakonie-Klinikum in Stuttgart, das wir seit 1998 betreuen, das Klinikum Konstanz, das Krankenhaus in Ravensburg und das Diakonie-Klinikum Schwäbisch Hall. Aktuell sind wir vier Partner und rund fünfzig Mitarbeiter. Auch als Partner wollen wir weiterhin operativ an den Projekten tätig sein, also im laufenden Kontakt und Austausch mit den Bauherren stehen. Wir arbeiten gemeinsam mit den Teams an den Konzepten, um dann die bestmögliche Lösung für die Bauaufgaben und die Bauherren zu finden.
Was war bei dem aktuellen Projekt, der Diakonie in Stuttgart, herzustellen?
LM: Zum einen hatten wir die letzten zwanzig Jahre große Neu- und Erweiterungsbauten errichtet, sodass sich die dortige Bautätigkeit seit 2007 insgesamt etwas verlangsamte. Dazu kam eine zweite Entwicklungsstufe: Das Klinikum wollte im Bestand nachverdichten und sich weiterentwickeln. Es galt also, das bestehende Gebäude, den Funktionsbau in der zweiten Reihe, zu erweitern. Es war wie „eine Operation am offenen Herzen“, weil wir ja im laufenden Krankenhausbetrieb bauen mussten. In diesem Fall ging es passenderweise um Herzkatheterlabors für die Kardiologie. Der zunehmenden Spezialisierung der Krankenhäuser folgt auch baulich eine deutliche Ausweitung der medizinischen Leistungen.
Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit ADK?
LM: Im Zuge einer Ausschreibung haben wir bei drei Modulbauern angefragt. Im Ergebnis erwies sich ADK als der interessanteste, kompetenteste und wirtschaftlichste Bieter.
Wie sah die Zusammenarbeit konkret aus?
LM: Auch im Modulbau gibt es verschiedene Stufen. Der Architekt übernimmt die Leistungsphasen I–IV bis zur Baugenehmigung, dann kommt die Ausschreibung, die auf Leitdetails unserer Planung beruht, also Fassaden- und Innenausbaudetails. Hinzu kommen Beschreibungen der Planer für die Technische Gebäudeausrüstung und die Medizintechnik. Diese Funktionalausschreibung mit allen Anforderungen entspricht in etwa einer GU-Ausschreibung.
Arbeiten Sie während der Bauphase noch zusammen? Gibt es da noch eine künstlerische Oberleitung?
LM: Es gibt natürlich eine Planprüfung. Hier hat ADK die Werkstatt- und Montagepläne bearbeitet. Während des gesamten Planungsprozesses ist ein reger Austausch zwischen der Planungsabteilung, den Projektleitern von ADK und unserem Projektteam notwendig, weil sich über die Konstruktion der Module nachher ja auch Grundrissverschiebungen sowie Fragen zu Stützen und Tragwerk ergeben. Wir begleiten das Projekt also, bis es zur Verkranung auf der Baustelle geht.
Für Ihr Unternehmen spielt die architektonische Qualität eine wichtige Rolle. Ist es besonders anstrengend, mit Architekten zusammenzuarbeiten, die individuelle Wünsche haben, die dem System des Modulbaus theoretisch entgegenstehen? Oder ist das gar nicht so?
RK: Es gibt Architekten, die im modularen Bauen sehr gut sind. Architekten werden in Zukunft vor die große Herausforderung gestellt, auf modernere Bauweisen eingehen zu können, weil das Verfahren nach der klassischen HOAI nicht mehr funktioniert. Dafür lassen sich die Bauzeiten um bis zu sechzig Prozent verkürzen. Der Architekt muss bald andere Aufgaben wahrnehmen. Ein tolles Projekt wird es nur, wenn die Architekten begleitend mit dabei bleiben!
Was muss ein Architekt denn Besonderes mitbringen?
RK: Er muss den Ablauf sowie die Zusammenhänge kennen und verstehen, wo der Modulbau seine Stärken beweisen muss, und das Ganze mitbegleiten. Da das Ablaufprozedere ein völlig anderes ist, kann er auf Sämtliches verzichten, was er sonst zu tun hat: Einzelausschreibungen, Einzelvergabe von Bauteilen, Bauelementen usw. Allerdings findet die Bemusterung nach wie vor statt, damit auch die architektonische Umsetzung gewährleistet ist.
Ein wichtiger Aspekt der Architektur ist ja häufig die Fassade. Wie hoch sind da die Freiheitsgrade?
LM: Im Prinzip sind Vorgaben über den Entwurf und die Ausschreibung klar definiert. Der Architekt arbeitet ja den Entwurf mit der Genehmigungsplanung aus. Das Gleiche gilt natürlich auch für die Fassade. Über die GU-Ausschreibung haben wir gewisse Freiheitsgrade, die wir den ausführenden Unternehmen – indem Fall also ADK – überlassen.
„Wir wollen nicht in großer Masse bauen, wo ein Modul wie das andere ist. Wir haben uns schon immer sehr um die Architektur gekümmert.“
Robert Kohler, ADK Modulraum GmbH, Neresheim
Ein wesentlicher Vorteil beim modularen Bauen ist die kurze Bauzeit. Sie kennen bestimmt noch weitere Vorteile? Aber nennen Sie uns doch bitte auch den einen oder anderen Nachteil, um ein besseres Gefühl für die Bedeutung des modularen Bauens zu erhalten.
RK: Es ist klar, dass ein Fertiggebäude, das ja auf Leichtigkeit getrimmt ist, nicht die Speichermassen aufbringt wie massiver Beton. Im Gegenzug gibt es aber die Vorteile des Umweltschutzes, weil man ressourcenschonender arbeitet. Die Kiesvorkommen der Erde werden noch vor dem Öl versiegen, wenn wir sie in dem Tempo weiterverbrauchen. Wir werden auch noch in 200 Jahren Fundamente aus Beton machen wollen. Es gibt für Hochbaukörper durchaus andere Werkstoffe, man muss nicht die Ressource verschleudern, die sich im Moment nicht recyceln lässt. Über den Energieverbrauch von Stahl kann man diskutieren. Allerdings sind wir ja dabei, unsere Energien umweltfreundlicher herzustellen, und dann ist es für Stahl kein Problem, in 100 Jahren recycelt zu werden.
Was muss ich mir unter dem Begriff „Hybridmodul“ vorstellen?
RK: Wenn wir versuchen, recyclingfähige Werkstoffe oder nachwachsende Rohstoffe so ideal wie möglich einzusetzen, verwenden wir gerne auch Holz. Das sind dann aber keine Gebäude aus dem Gesundheitswesen wegen der F-90-A-Anforderungen. Wir bauen gerne Verwaltungs-, Botschaftsgebäude oder Generalkonsulate mit Holzanteilen. Im Moment realisieren wir zwei große Verwaltungsgebäude für SAP in Walldorf, bei denen wir auch beweisen, dass man modular tolle Architektur umsetzen kann. Da haben wir Holz in den Boden, die Decken und teilweise in Wandelemente eingebaut. Nur statisch wichtige Bauteile sind aus Stahl, weil Holz versagen oder zu große Dimensionen benötigen würde.
Zu Ihrer Zusammenarbeit: Beim konventionellen Bauen sind viele Fachplaner beteiligt. Wie viele sind es beim Modulbau? Wer spielt auf der Planer- und Ausführungsseite eine große Rolle?
RK: Es gibt Modulhersteller, die sich technisch hochwertigen Gebäuden verschrieben und eine eigene TGA-Mannschaft für technische Gebäudeausstattung haben. So ist es auch bei uns. Allerdings muss die Ausschreibungsphase sehr umfangreich sein, um die Mindestanforderungen des Auftraggebers festzulegen.
LM: Für die Erstellung der Ausschreibung braucht man die Fachplaner. Die Architekten begleiten die Abwicklung des Baus auch baustellenlogistisch länger als die Fachplaner.
RK: Vier Augen sehen mehr als zwei. Deswegen schadet es nicht, wenn die TGA-Planer auf Kundenseite, sobald unsere Planung steht, einen Blick daraufwerfen. Das beruhigt den Kunden und bringt mehr Qualität in die Ausführung.
„Wir glauben, dass der Modulbau aufgrund seiner zeitlichen Vorteile weiterhin gefragt sein wird.“
Lucas Müller, Arcass Freie Architekten BDA, Stuttgart
Sie machen viele Gesundheitsbauten. Können Sie etwas zur Zukunftsperspektive des Modulbaus sagen? Wird das eine nachgefragtere Bauart sein oder eine, die nur für Spezialaufgaben geeignet ist?
LM: Wir glauben, dass er weiter nachgefragt sein wird aufgrund von zwei großen Vorteilen des Modulbaus gegenüber dem konventionellen Bauen: Das eine ist die Geschwindigkeit, das andere die deutlich geringere Beeinträchtigung des laufenden Krankenhausbetriebs durch die Baustelle. Fast zwei Drittel der Modulteile werden im Werk hergestellt.
Planen Sie weitere Projekte mit ADK?
LM: Aktuell gibt es noch ein weiteres Gebäude in Planung, das demnächst umgesetzt wird. Wir haben auch laufende Ausschreibungen für Neu- und Erweiterungsbauten, die für den Modulbau bestens geeignet sind.
RK: Die Projekte sind technisch sehr anspruchsvoll. Wir haben hochkarätige Technik in den Gebäuden verbaut und die Bauzeit beträgt nicht mal die Hälfte eines klassischen Baus, in dem sämtliche Technik abgestimmt werden muss.