PROJEKTREPORTAGE

Diakonie-Klinikum, Stuttgart

Arcass Architekten, Stuttgart

Operation am offenen Herzen

  • Autorin: Claudia Siegele
  • Fotos: Jens Lyncker, ADK Modulraum GmbH

Bei laufendem Klinikbetrieb einen Funktionsbau mit Technikzentrale um zweieinhalb Geschosse aufzustocken, ist eigentlich schon Herausforderung genug. Die heiße Bauphase auf drei Monate zu beschränken, grenzt an Zauberei – ist aber machbar, dank BIM-gestützter Modulbauweise, die eine witterungsgeschützte Vorfertigung erlaubt, während auf der Baustelle die Rückbauarbeiten laufen. Arcass Architekten haben gemeinsam mit der ADK Modulraum GmbH am Diakonie-Klinikum in Stuttgart gezeigt, wie so eine Punktlandung gelingt.

Für Bauherr, Architekt, Fachplaner und Ausführende gibt es kaum etwas Kniffligeres, als während des laufenden Krankenhausbetriebes über den Köpfen der Ärzte und Patienten binnen drei Monaten ein bestehendes Funktionsgebäude um zweieinhalb Geschosse aufzustocken, um darin Verwaltungsräume und Operationsbereiche unterzubringen. Und das mitten im Kessel der Stadt Stuttgart, unter nicht verhandelbarem Termindruck und bei gedeckeltem Budget.

Das Diakonissenkrankenhaus und die orthopädische Klinik der Stiftung Paulinenhilfe sind seit Mitte des 19. Jahrhunderts eine feste Größe in Stuttgart. Als die beiden Kliniken 2000 zum Diakonie-Klinikum Stuttgart zusammengeführt wurden, stand das Ziel im Raum, einen Klinikneubau zu errichten und künftig die beiden Hospitäler an einem Standort zu betreiben. Für Planung und Bauleitung beauftragte das Diakonie-Klinikum Arcass Architekten aus Stuttgart, deren Portfolio zahlreiche Bauten des Gesundheitswesens beinhaltet. So lag es nahe, das Büro auch 2016 mit der zweieinhalbgeschossigen Aufstockung eines Funktionsgebäudes zu beauftragen, um den Platz für zwei Linksherzkatheter-Messplätze, Vorbereitungs- und Personalräume sowie Büros für die Verwaltung zu schaffen. Die auf dem Flachdach aufgebaute Technikzentrale war in den Kern der neuen Aufstockung zu integrieren, sollte sich über eineinhalb Stockwerke erstrecken und wie schon zuvor auch andere Teile des Klinikums versorgen.

Das Einheben der 59 Module klappte wie am Schnürchen – binnen einer Woche war die Aufstockung praktisch gelaufen.

Die Überlegung, die Aufstockung in Modulbauweise auszuführen, war gleich mehreren Prämissen geschuldet: Am dringlichsten war der Zeitdruck, denn einerseits wollte man den Klinikablauf so kurz wie möglich beeinträchtigen. Andererseits sollten die beiden Messplätze so rasch wie möglich in Betrieb gehen. Der zweite Grund, der für die Modulbauweise sprach, waren die statischen Reserven des Baukörpers, der die zweieinhalb Geschosse Huckepack zu nehmen hatte. Für die Modulbauweise sprachen überdies die besonderen Anforderungen an Krankenhausbauten, angefangen beim Strahlen-, Schall- und Brandschutz bis hin zum ausgesprochen hohen Vorfertigungsgrad in der witterungsgeschützten Werkhalle, der das Gewusel der Handwerker auf der Baustelle deutlich minimierte und somit die Abstimmung der Schnittstellen zwischen den Gewerken unter dem gegebenen Zeitdruck etwas entspannte.

Mit dem sogenannten Verkranen der vorgefertigten Module begann auf der Baustelle die heiße Phase.

2015 reichten Arcass Architekten den Bauantrag ein, dessen Genehmigung schließlich im Oktober vorlag. Einen Monat später hatte man mit der Firma ADK Modulraum aus Neresheim das Unternehmen an der Seite, welches über genug Erfahrung und Kapazitäten verfügte, um die Module nach den Plänen der Architekten zu fertigen. Im März 2016 begann die Modulfertigung, und im Juni starteten die Anlieferung und die sogenannte Verkranung der 59 Module. Innerhalb der Module fielen nur noch wenige Anpass- und Anflanscharbeiten an den Stoßstellen an. Im August 2016 erfolgte die Bauabnahme, sodass im September die Inbetriebnahme der neuen Räumlichkeiten wie vorgesehen stattfinden konnte. Die Punktlandung war rundum gelungen.

Fugen und andere verräterische Details, die auf die Modulbauweise hinweisen könnten, sucht man in den neuen Räumen vergeblich.

Der reibungslose und pünktliche Ablauf des Projektes zeugt von der Professionalität aller Baubeteiligten und spricht für die Vorteile der Modulbauweise. Die ihrerseits aber ohne weitsichtige und frühzeitige Planung, konzentrierte Organisation und Logistik sowie allzeit verlässliche Kommunikation nicht auskommt. Eine enge Abstimmung zwischen den Architekten, den Fachplanern, der Modulbaufirma und dem Krankenhausbetrieb war zu jedem Zeitpunkt des Bauablaufs der Garant für den Erfolg und damit auch für die Einhaltung der knapp bemessenen Bauphase. Aber auch die Planung mit BIM war entscheidend – denn mithilfe des 3D-Modells konnte die geplante Lastabtragung zwischen ADK Modulraum und dem Statikbüro schnell und effizient überprüft und abgestimmt werden.

Gerade im Gesundheitswesen ist die kurze Bauzeit durch Vorfertigung ein unschlagbarer Vorteil – von dem in erster Linie die Patienten profitieren!

Präzision, moderne Technik und reibungslose Zusammenarbeit sind im sterilen Operationsraum ebenso gefragt wie im Modulbau – die meisten medizinischen Geräte wurden in der Werkhalle vorinstalliert.

Bleibt am Ende die gestellte Frage zu beantworten, ob sich mit der Modulbauweise auch Ansprüche an die Architektur erfüllen lassen. Gesteht man den Neubauten des Diakonie-Klinikums eine zeitlose und gelungene Gestaltungsqualität zu, so lässt sich der Schluss ziehen, dass sich die Aufstockung in Modulbauweise sehr gut in das Gesamtbild des Gebäudeensembles einfügt.

Die neue Technikzentrale erstreckt sich über eineinhalb Geschosse.

Architekten

Arcass Planungsgesellschaft mbH | Freie Architekten BDA,
Urbanstr. 1, 70182 Stuttgart
www.arcass.de

Projektinformationen

Modulzahl: 59, Bauzeit vor Ort: 3 Monate, Fläche: 1.592 m², Stockwerke: 2,5

 

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