PROJEKTREPORTAGE

Innovationszentrum Merck, Darmstadt

HENN, Berlin

Das offene Haus für Merck

  • Autor: Sebastian Redecke
  • Fotos: HG Esch, ADK Modulraum GmbH

Im Rahmen des Masterplans für das Firmengelände von Merck in Darmstadt stand zunächst ein vom Weltkonzern dringend benötigtes neues Forschungs- und Entwicklungszentrum als „ein Ort für neugierige Köpfe“ im Vordergrund. Er wurde 2015 sehr zügig in nur sieben Monaten fertiggestellt. Der Masterplan von HENN, Berlin, sieht noch eine ganze Reihe weiterer Gebäude sowie Freiraumgestaltungen auf dem großen Verwaltungs- und Werksareal an der Frankfurter Straße nördlich der Innenstadt vor, die sukzessive realisiert werden sollen.

Merck feierte in diesem Jahr sein 350-jähriges Bestehen und ist heute eines der führenden Unternehmen in den Bereichen Healthcare, Life-Sciences und Performance Materials. Pünktlich zum Jubiläum wurde in diesem Sommer das weitaus größere, gläserne, ebenfalls von HENN entworfene Innovation Center vis-à-vis der Straße bezogen. Damit hat, wie von Anfang an vorgesehen, der Bau von 2015 auf dem Firmengelände, der als eine Art kleiner Prototyp für das Innovation Center gesehen werden kann, bereits eine andere Aufgabe erhalten: Er dient nun als flexibel zu nutzendes Tagungsgebäude und Besucherzentrum. Die begrenzte Zeit für Planung und Realisierung dieses Gebäudes von 2015 mit einer Bruttogeschossfläche von 3.150 Quadratmetern erforderte eine besondere Bauweise.

Das Forschungs- und Entwicklungszentrum ist „Ort für neugierige Köpfe“

HENN entwickelte daher in intensiver Zusammenarbeit mit ADK Modulraum ein Gebäudekonzept in Modulbauweise. Baukörperlich entstand eine Anlage als im kleinen gedachte Stadt, die aus den Modulkörpern organisiert wurde. Die eingesetzten Module mit Maßen bis zu 15,4 × 4,6 × 4,5 Meter werden genutzt als weitgehend offene Arbeitsflächen, kleinere Konferenzbereiche, Vortrags- und Informationsräume und ein mit der neuen Aufgabe meist als Gästecasino betriebenes Restaurant mit Nebenräumen. Während HENN die gestalterische Gesamtkomposition mit dem geforderten Programm auf der nicht unterkellerten Baufläche entwickelte, entstanden in den Werkshallen von ADK Modulraum die Grundmodule aus Stahlfachwerk samt den Einbauten: Decken- und Bodenaufbauten, Wandverkleidungen und Installationen. Auf der Baustelle wurden dann die per Schwertransporter angelieferten Module verbunden und mit den Fassadenelementen aus Stahl und Glas geschlossen. Die individuelle Vorfertigung lag bei etwa fünfzig Prozent, neunzig Prozent sind mit dieser Bauweise möglich.

Baukörperlich entstand eine Anlage als im kleinen gedachte Stadt, die aus den Modulkörpern organisiert wurde.

Die Modulkonstruktion tritt im Inneren nicht deutlich zum Vorschein. Sie ist als zusammengesetzte Struktur nur für den Fachmann erfahrbar. Es handelt sich um eine einfache Komposition, die aber in ihrer Ausgestaltung mit vielen Feinheiten aufwartet, die entsprechend der Nutzung angepasst wurde. Der Gebäudekomplex ergibt sich durch die Zusammensetzung der Module auf zwei Geschossen, die versetzt zueinander ein spannungsvolles Ensemble ergeben. Eine Auskragung von drei Metern ist normalerweise nicht üblich und wurde in Zusammenarbeit mit den Tragwerksplanern Bollinger + Grohmann umgesetzt, um dem Bau an dem wichtigen Ort gegenüber des alten Firmengeländes die gewünschte Prägnanz zu verleihen.

Der Modulbau wurde in einer Bauzeit von nur sieben Monaten fertiggestellt.

Der Besucher gelangt von der Frankfurter Straße auf den im Zuge des Ausbaus der Konzernzentrale neu gestalteten Emanuel-Merck-Platz, der in einer Zusammenarbeit von HENN und den Freiraumgestaltern von TOPOTEK 1 entstand. Der circa 10.000 Quadratmeter große Platz fungiert als Bindeglied zwischen dem alten westlichen und dem neuen östlichen Teil des Werksgeländes und bietet einen Freiraum mit Sitzmöglichkeiten und Grünflächen. Die Frankfurter Straße wird durch diese Initiative von Merck trotz Autoverkehr und Straßenbahn deutlich zu einem öffentlichen Platz aufgewertet. Über diesen mutig gestalteten Außenbereich gelangt der Besucher zunächst in einen geschützten, leicht erhöhten, von Modulen gebildeten Durchgang. Dahinter öffnet sich ein großer Hof mit den Eingängen, der auch als Aufenthaltsort mit Sitzgelegenheiten konzipiert wurde. Wichtig war den Architekten die sorgfältige Gestaltung des leicht eingerückten Sockels. Damit heben sich die Module vom Boden ab, verlieren ihre Schwere und erhalten so eine besondere Eleganz. Auffallend sind die großen quadratischen Fenstereinheiten.

Der Gebäudekomplex ergibt sich durch die  Zusammensetzung der Module auf zwei Geschossen, die versetzt zueinander ein spannungsvolles Ensemble ergeben.

Im Inneren der Module findet sich eine einfache Raumkomposition mit vielen Feinheiten.

Es bestand der Wunsch, Materialien aus der Produktionspalette von Merck zu integrieren. Bei einem Teil der Fensterflächen handelt es sich um Liquid Crystal Windows mit Licrivision-Technologie als „smartes Energieglas“, Sonnenschutzgläser der ganz besonderen Art, die sich per Knopfdruck entsprechend dem Lichteinfall individuell und stufenlos verdunkeln lassen. Da diese Technologie bisher nur auf begrenzter Glasfläche möglich ist, wurde im Obergeschoss der Hauptfassade zur Frankfurter Straße die Fensterteilung in Sprossen untergliedert. Die Rasterstruktur passt sich gut in das architektonische Gesamtkonzept ein. Außerdem wurden an der Südfassade Farbstoffsolarzellen von Merck installiert, die Licht in elektrische Energie umwandeln. HENN entwarfen zudem ein Lochblech für die Brüstungen im Außenbereich, die dem Bau eine zusätzliche Note geben.

Besonderes Augenmerk wurde auf die Ausgestaltung der tellerförmigen Beleuchtungselemente gelegt.

Die Konstruktion tritt nicht deutlich zum Vorschein.

Innen wurde besonderes Augenmerk auf die Gestaltung der markanten, tellerförmigen Beleuchtungselemente gelegt. Die Installationen unter der Decke bleiben weitgehend sichtbar. Die lichte Höhe beträgt für ein Gebäude in Modulbauweise großzügige vier Meter.

Dass es sich um einen Modulbau handelt, lässt sich im Inneren nicht erkennen.

Nirgends hat man den Eindruck, dass der Bau in einem strengen Rastersystem errichtet wurde und sich dadurch Zwänge ergeben.

Farbstoffsolarzellen von Merck finden sich an der Südfassade.

Nirgends hat man den Eindruck, dass dieses Gebäude mit einfachen Mitteln in einem strengen Modul-Rastersystem errichtet wurde und sich dadurch Zwänge ergeben. Es zeigt sich einmal mehr, wie ratsam es ist, ein solches Vorhaben in hochwertiger Modularchitektur in enger Zusammenarbeit mit Architekten umzusetzen.

Auf der Baustelle wurden die Module verbunden und mit Fassadenelementen aus Stahl und Glas geschlossen.

Architekten

HENN GmbH

Alexanderstr. 7

10178 Berlin

www.henn.com

Projektinformationen

Modulzahl: 64, Bauzeit vor Ort: 7 Monate, Fläche: 3.150 m², Stockwerke: 2

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